Alles Leben ist Yoga – oder Yoga als Hilfe in herausfordernden Zeiten
1947, also kurz nach dem 2. Weltkrieg erschien ein Buch von Selvarjan Yesudian und Elisabeth Haich mit dem Titel: „Yoga in den zwei Welten“.
Das Vorwort hatte ein ungarischer Professor für Medizin geschrieben. Dort heißt es über den indischen Arzt Selvarjan Yesudian, der den Yoga-Weg in der westlichen Welt bekannt machte:
„Somit flößt er uns – den in ihrer materialistischen Weltanschauung schwer getäuschten, in persönlichen und sozialen Krisen verwickelten Menschen – Hoffnung und Zuversicht auf seelische, geistige und moralische Erneuerung ein, sowie Vertrauen zu sich selbst und zu Gott.“
Wenn wir überprüfen wollen, ob diese großen Worte auch der Realität standhalten, sollten wir uns vor allem mit dem Yoga Sutra des Patanjali beschäftigen. Die 195 Verse umfassen ein immenses Wissen, mit dem wir uns ein Leben lang beschäftigen könnten, um jeden Vers in seiner Tiefe zu verstehen.
In einer komplexen Weise wird hier der Übungsweg des Yoga dargestellt. Bekannt sind vor allem die acht Stufen des Yoga Pfads, die als Wegweisung für das Leben zu verstehen sind. Jeder Yoga Meister hat diese stichwortartigen Sutras zu verschiedenen Zeiten neu interpretiert. Es lohnt sich, unterschiedliche Übersetzungen und Kommentare zu vergleichen, da sich beim einen oder anderen ein leichterer Zugang ergibt.
Ich möchte hier aus der Übertragung des Yoga Sutra von T.K.V. Desikachar zitieren, die ich besonders empfehlenswert finde*:
„Schließlich wird dieser Text alle begeistern, die sich ganz einfach erfrischen wollen an einer Quelle tiefster, uralter und über die Jahrhunderte erprobter Weisheit.“
Dieses Schöpfen aus der Quelle ist es, was wir gerade heute dringend brauchen. Dabei ist es wichtig, dass die Quelle tief genug ist, um auch wirklich reines Wasser an die Oberfläche zu bringen.
Yoga gehört definitiv zu den tiefen Quellen genau wie das schamanische Wissen der Menschheit oder die Weisheit in den großen Religionen. Gerade der von mir verehrte Yoga Meister Yogananada wurde nie müde die Gemeinsamkeiten der Weisheit der Welt zu betonen. Allerdings erschließt sich diese Weisheit erst dann, wenn wir uns in der Tiefe damit beschäftigen und nicht bei den vordergründigen Erscheinungsweisen stehen bleiben.
Ich möchte aus dem Text des Yoga Sutra ein Zitat näher betrachten:
3.32. Dadurch dass ein Mensch auf die Quelle der höchsten Klarheit in sich meditiert, entwickelt er die Gabe außergewöhnlicher Kräfte
Patanjali beschreibt hier eine Meditation, die in dieser oder ähnlicher Form in vielen Traditionen bekannt ist und geübt wird: Meditation auf ein die Quelle höchster Klarheit repräsentierendes Licht im Körper.
Yoga Nidra
Eine der möglichen Meditationsformen, um das göttliche Licht im Körper zu erleben, ist für mich die Praxis des Yoga Nidra (nach Satyananda Saraswati 1923-2009).
Unser Geist wird dabei in einer bestimmten Reihenfolge durch den Körper gelenkt, um tiefere Bewusstseinsebenen zu erreichen. Wiederholt man diese Körpererfahrung immer wieder in der genau gleichen Weise mit der entsprechenden Vorbereitung, entwickelt sich eine besondere Art der Klarheit. Diese Klarheit kann man vertiefen, in dem man die Körperreise selbst mit Klarheit verbindet, sich also vorstellt, wie sich in jedem angesprochenen Körperteil das Licht der Klarheit entfaltet. Auch das sogenannte Sankalpa, der feste Entschluss, kann darauf ausrichtet werden, z.B. in Form von „Klarheit auf allen Ebenen“.
Diese Art der Meditation erfordert wie jede andere Meditation vor allem regelmäßige Übung. Auch beim Yoga Nidra, das zunächst so einfach erscheint, erschließt sich die tiefere Wirkung erst durch Wiederholung und vertieftes Üben.
Zunächst führt die Yoga Nidra Praxis zu einer ganzheitlichen Tiefenentspannung. Diese ist allerdings erst der Beginn der Übungspraxis, in der es um eine Erfahrung von Bewusstheit, von Klarheit und Licht in unserem Körper geht.
Wie auch bei der Praxis des achtstufigen Pfads, wie er im Yoga Sutra beschrieben ist, geht es auch im Yoga Nidra darum, die Verbindung von Körper, Seele und Geist in Form einer intensiveren Form der Lebensenergie deutlicher zu spüren. Und es geht auch um die Verbindung mit einer transpersonalen einer göttlichen Kraft, wie Desikachar in seinem Kommentar zu Sutra 3.32. schreibt:
„Durch diese Art der Meditation mag ein Mensch die Unterstützung und eine umfassende Vorstellung der göttlichen Kräfte erfahren.“
Ich wünsche Euch und uns allen im Sinne von S.Yesudian die erneuernde Kraft des Yoga, die sich in Selbstvertrauen und in Vertrauen auf eine größere Kraft als unsere menschliche zeigt.
*Über Freiheit und Meditation. Das Yoga Sutra des Patanjali. Eine Einführung. Übertragung und Kommentar von T.K.V. Desikachar. ViaNova Verlag
Bücher und CDs zum Thema Yoga Nidra